„Ich bearbeite meine Bilder nicht. Ich will das natürliche Bild haben*, so wie es aus der Kamera kommt.“
„Ein guter Fotograf macht schon bei der Aufnahme alles richtig und braucht kein Bildbearbeitungsporgramm.“
„Früher gab es ja auch kein Bildbearbeitungsprogramm.“
Der erste Satz ist nicht zu Ende gedacht.
Fotografiert man „out of cam“, lässt man sich von der Kamera ein fertiges JPEG-Bild speichern. Dabei überlässt man die Interpretation* der bei der Aufnahme gewonnen Daten, entweder komplett der Standard-Einstellung der Kamera, oder man hat dafür im Vorfeld entsprechende Voreinstellungen gemacht. (Mehr Kontrast, weniger Sättigung, Effekte etc.)
Der Mensch hinter der Kamera, hat also entweder das Bild quasi im Voraus bearbeitet, oder er hat die Bearbeitung auf gut Glück der Kamera überlassen.In beiden Fällen, wurden die bei der Aufnahme gewonnen Daten aber mithilfe der Kamera-internen Software bearbeitet.
Die zweite Aussage, beinhaltet eine gewisse Wahrheit. Natürlich soll der Fotograf schon bei der Aufnahme das Bild möglichst so gestalten*, dass es seiner Vorstellung vom geplanten Endergebnis möglichst entspricht. Zu diesem Zweck kann er natürlich auch im JPEG-Format plus entsprechenden Voreinstellungen fotografieren. Das heißt, er bearbeitet dann eben schon direkt bei der Aufnahme.
Trotzdem greifen viele Fotografen lieber auf das RAW-Format zurück, da die Nachbearbeitung mit professionellen Programmen in der Regel ein genaueres Arbeiten erlaubt, als die Voreinstellungen in der Kamera.
Die dritte Aussage stimmt. Damals gab es keine Bildbearbeitungsprogramme.
Dafür gab es die Dunkelkammer, in der die Bilder ebenfalls in ihrem Aussehen beeinflusst wurden. Begriffe wie „Abwedeln“, „Nachbelichten“, „Maskieren“ und einige mehr, die jeder Photoshop-Nutzer kennt, stammen ursprünglich aus der Dunkelkammer.
Natürlich ist die digitale Bildbearbeitung heute wesentlich komfortabler, schneller, genauer und an Möglichkeiten wohl auch reicher.
Aber bearbeitet wurde immer schon.
Die einzige Möglichkeit um wirklich „out of cam“ zu fotografieren, wäre vielleicht die Verwendung einer Sofortbildkamera. Aber auch da spielt natürlich die Auswahl des Filmes eine Rolle.
Dieser out-of-cam-Mythos bedient ein Klischee, wie es in Filmen vermittelt wird und mit dem sich manche Fotografen gerne identifizieren. Nämlich jenes des genialen Fotografen, der Motiv und Lichtsituation im Augenblick erkennt, sofort zwei oder drei Aufnahmen macht – selbstverständlich alle mit den perfekten Kameraeinstellungen und dem perfekten Bildaufbau – und sie zuhause dann nur noch ohne viel Aufwand aus dem Entwicklerbad fischt, oder sie auf dem Bildschirm angezeigt bekommt. Kameras der Wahl sind in solchen Filmen natürlich meist kultige Modelle von Leica, Nikon oder ähnliches.
Natürlich – Klischees können auch mal zutreffen und es kann durchaus sinnvoll sein, bewusst dass out-of-cam knipsen mit entsprechenden Voreinstellungen im JPEG-Format zu üben, um ein Gefühl für einen bestimmten Stil und passende Lichtsituationen dafür zu bekommen.
Letztendlich muss sich aber jeder Fotograf, der ein bestimmtes Bildergebnis erreichen möchte, nicht nur mit Licht, Brennweite, Zeit, Blende und Bildgestaltung auseinandersetzen, sondern auch mit der Bildbearbeitung – Entweder durch verstellen der JPEG-Parameter, oder eben durch bearbeiten im Bildbearbeitungsprogramm nach der Aufnahme.
Wie stark ein Foto bearbeitet wird, sollte letztendlich natürlich immer vom geplanten Ergebnis abhängen.
Aber Hand aufs Herz- Wer hat noch nie versucht, ein nicht so ganz gelungenes Bild, durch eine besonders kreative Bearbeitung zu retten?
Und da beginnt die Diskussion um „out-of-cam“ und um die Vorteile der Bilbearbeitung VOR der Aufnahme erneut … .
Wofür ihr euch nun aber auch entscheidet – Genießt das Fotografieren, behaltet den Spaß an der Sache und verbeißt euch nicht zu sehr in das Thema.
In diesem Sinne „Allzeit gut Licht“, wünscht euch
euer Hausfotograf, Manfred Herrmann