Die eierlegende Wollmilchsau unter den Kameras

 

In meinem Artikel über die besten Kameras zum Jahreswechsel, habe ich erwähnt, dass es die eierlegende Wollmilchsau unter den Kameras leider nicht gibt. Vielleicht sollte ich hinzufügen: noch nicht?

 

Was müsste eine eierlegende Wollmilchsau Kamera können?

 

Sie sollte leicht und kompakt sein, ein Objektiv mit einer Brennweite von 10 bis 1000 mm* haben (bezogen auf KB), mit einer durchgehenden Anfangsblende von – sagen wir mal – 1,8. Selbstverständlich soll die Abbildungsleistung über den ganzen Brennweitenbereich und auch bei offener Blende perfekt* sein. Vom Bildsensor hingegen erwarten wir, dass er auch bei sehr hohen ISO-Werten noch rauschfreie Aufnahmen* liefert. Natürliche Farbwiedergabe sowieso.

 

Warum geht das in Wirklichkeit nicht?

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Ein Objektiv mit 100-fach optischem Zoom* wäre sehr aufwendig zu konstruieren. Je größer der Zoombereich eines Objektives ist, desto mehr leidet die Abbildungsleistung. Bei den Bildsensoren ist es nach wie vor so, dass kleinere Sensoren zu wesentlich höherem Bildrauschen neigen. Einen größeren und damit rauschärmeren Sensor einzubauen bringt wieder das Problem, dass unsere Objektive mit großer Anfangsblende ebenfalls größer ausfallen müssen. Womit sich die Anforderung „klein und kompakt*“ für unsere eierlegende Wollmilchsau erledigt hat. Die eine Anforderung schließt die andere Anforderung aus.

 

Aber ginge es nicht doch irgendwie?

 

Wenn wir die obigen Anforderungen an unsere eierlegende Wollmilchsau Kamera erfüllen möchten, ist der erste Schritt dazu die Verwendung eines kleinen Bildsensors. Sagen wir, er ist 10mal so klein wie der Sensor im KB-Format*. Mit 1mm Brennweite hätten wir also denselben Bildausschnitt wie bei 10 mm auf Vollformat und bei 100 mm  den engen Bildausschnitt der 1000 mm. Rund 10 cm Länge für ein Objektiv geht in diesem Fall wohl noch als kompakt durch. Ob sich das technisch tatsächlich so bauen ließe und dann noch gute Fotos dabei heraus kämen? Gehen wir mal rein theoretisch davon aus.

Wenn wir es jetzt noch geschafft haben, einen rauscharmen Sensor zu bauen, haben wir eigentlich schon unsere eierlegende Wollmilchsau. 

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Einschränkungen einer solchen Superkamera

 

Angenommen wir haben jetzt eine solche Superkamera angefertigt, dann gibt es folgende Einschränkung: Durch die geringe Brennweite bekomme ich auch immer eine enorme Schärfentiefe. Ein kreatives Gestalten mittels Schärfe-Unschärfe Bereiche wäre nicht mehr möglich. Wir müssten also auf die Möglichkeit zurückgreifen, Unschärfe auf digitalem Weg zu erzeugen und die jeweilige Blende mittels Bildbearbeitung* zu simulieren. Aber das geht und bei entsprechend guter Software lässt sich meist kaum noch sagen, ob die Unschärfen auf physikalischem Weg oder digital entstanden sind.

 

Hm – kommt uns irgendwie bekannt vor, oder?

 

Genau. Das was aktuell der eierlegenden Wollmilchsau unter den Kameras am nächsten kommt ist – auch wenn manche das nicht hören möchten – die Handykamera. Die Hersteller sind hier schlicht aus Platzgründen dazu gezwungen, sehr kurze Brennweiten und kleine Bildsensoren zu verbauen. In aller Regel findet man eine kurze Festbrennweite und eine fixe Blende vor. Die Belichtungssteuerung erfolgt über Zeit und ISO, die Schärfen-Untiefe wird mittels digitaler Blendeneinstellung* simuliert. Bezüglich Zoom wird auf Hybrid-Lösungen zurückgegriffen oder man muss den Digitalzoom verwenden – also eines Ausschnitts Vergrößerung machen – was natürlich der Bildqualität abträglich ist. 

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Handys immer noch schlechter als Digitalkameras?

 

Natürlich ist das Handy jetzt nicht die eierlegende Wollmilchsau. In vielen Bereichen kann es mittlerweile aber problemlos mit auch etwas besser ausgestatteten Digitalkameras mithalten. Natürlich sind auch noch Dinge wie Haptik, fehlender Sucher etc. von Bedeutung. Das lässt sich allerdings leicht lösen, indem man die entsprechende Technologie in ein Kameragehäuse anstatt ein Smartphone verpackt. Dann kann auch ein entsprechendes Zoomobjektiv verwendet werden oder man greift auf Hybridlösungen zurück. 

Es stellt sich also nur die Frage, ob es tatsächlich möglich ist, kleine Bildsensoren auf ausreichend hohem Niveau* herzustellen. Klar mag es dann so sein, dass der größere Sensor immer noch besser und rauschärmer abbildet. Aber irgendwann ist eine Grenze erreicht, deren Überschreitung keinen Sinn mehr hat. Wenn die ISO reicht, um rauscharm alle alltäglichen fotografischen Anforderungen abzudecken, und wenn Auflösung und Farbtreue jenseits dessen liegt, was das menschliche Auge noch wahrnehmen* kann, dann macht es kaum noch einen Sinn, die schwere Spiegelreflex mitzuschleppen.   
Bezüglich dem Unterschied zwischen digitaler und physikalischer Unschärfe lässt sich in vielen Fällen bereits heute kein Unterschied mehr feststellen.

 

Wohin führt der Trend in der Fotografie?

 

Ob die eierlegende Wollmilchsau – Kamera tatsächlich eines Tages kommt, sei dahingestellt. Die Suche nach ihr begünstigt aber den schon lange erkennbaren Trend in der Fotografie: Nämlich Bilder von vornherein mit großer Schärfentiefe aufzunehmen und sämtliche anderen Bildanmutungen digital zu erzeugen. Wodurch das immer noch häufig zitierte „out of cam“ noch einmal mehr ad absurdum geführt wird. 

Letzthin gilt aber natürlich weiterhin: Der Fotograf mach das Bild, nicht die Kamera! (Wobei, wenn ich da jetzt an KI und so weiter denke… na ja, anderes Thema… 😉 )

In diesem Sinne: Allzeit gut Licht!

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